Sehr geehrter Herr Präses Ignaas Dom,


Dr. Bruno Ketteler
Bürgermeister
der Stadt Rees

verehrtes Majestätenpaar,
sehr geehrter Herr Vorsitzender Hermsen, lieber Ewald,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Driessen, lieber Peter,
verehrte Mitglieder und Gäste der Bürgerschützenvereins,
liebe Till-Moyländerinnen und Till-Moyländer, (s. auch Gästeliste)
zunächst einmal darf ich mich aufrichtig für die Einladung zu diesem Festakt bedanken und gratuliere dem BSV Till-Moyland sehr herzlich zum diesjährigen, eindrucksvollen Jubiläum.

Ich bedanke mich auch für die Ehre, anlässlich dieser Feierstunde die Festrede halten zu dürfen. Normalerweise sitze ich bei derartigen Gelegenheiten ganz entspannt an der Stelle, an der im Augenblick Peter Driessen sitzt und lausche interessiert den Ausführungen des Festredners. Aber heute ist die Herausforderung größer, denn wenn einer der ältesten Vereine des eigenen Geburtsortes 100 Jahre alt wird, dann schwingen persönliche Erinnerungen und Emotionen mit. Dem alten Rednergrundsatz, wonach man über alles reden darf, nur nicht über zehn Minuten, kann ich dabei nicht ganz gerecht werden, aber Sie können sicher sein: ich werde Ihre Geduld nicht über Gebühr strapazieren.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, heute Abend auf einen kurzen Spaziergang mitnehmen. Allerdings nicht auf einen Spaziergang durch unser schönes Dorf, sondern zu einem Spaziergang durch die Geschichte unseres Schützenvereines. Nun weiß ich ja ganz genau, dass Sie alle die diesjährige Jubiläumsfestschrift nicht zuhause liegen, sondern auch ganz gewissenhaft gelesen haben. Darum kann ich mich – was die Zahlen und Fakten zur Vereinsgeschichte anbetrifft –, auf wichtige Eckpunkte beschränken.
Bei meinem Spaziergang will ich vielmehr den Blick in die Vereinsgeschichte verknüpfen mit persönlichen Erinnerungen. Dabei soll deutlich werden: Was machte den BSV in der Vergangenheit aus? Weshalb hat er die Menschen ein ganzes Jahrhundert lang angesprochen? Wo liegt seine Bedeutung für unseren Ortsteil Till-Moyland und wie mag seine Zukunft aussehen? Was meine persönlichen Erinnerungen anbelangt, möchte ich vier Stationen hervorheben:
Die erste Erinnerung an das Tiller Schützenwesen ist für mich verknüpft mit dem Zuschauen beim einem Königschießen Ende der 60er Jahre hinter der Gaststätte Jacobs. Wir Kinder standen staunend unter hohen Bäumen im Kies oder rannten in den damaligen Saal, der an die „Opkamer“ angrenzte und drückten uns an der Fensterscheibe die Nase platt. Auf der „Opkamer“ saßen die Honoratioren des Vereins und bedeutungsschwer schritten die Königsbewerber hinunter in den Schießstand und kamen wieder zum Vorschein, nachdem sie – zumeist unter dem Applaus der Saal- und Freiluftgäste - einen Schuss auf den Vogel abgegeben hatten.
Die zweite Erinnerung betrifft die im Jahr 1962 gegründete Karnevalabteilung. Mit ganzen 14 Jahren hatte ich 1976 das Vergnügen, meine erste Büttenrede vor ausverkauftem Haus in der Mehrz-weckhalle halten zu dürfen. Und ich gebe gerne zu, dass ich mein Lebtag nicht mehr so großes Lampenfieber hatte, wie vor diesem Auftritt. Aber es war im Nachhinein ein tolles Gefühl, an einem Programm mitgewirkt zu haben, dass ganz wesentlich von damaligen Karnevalsgrößen wie Jupp Höfkens, Heini Braam, Billa Euwens oder Herbert Reintjes getragen wurde.
Die dritte Station meines Spazierganges in die Vergangenheit des BSV führt mich zu einer unvergesslichen Reise in die damals noch geteilte Stadt Berlin Ende der 70er Jahre. Die Jung-schützen des BSV hatten unter Federführung des Dreigestirns Gustav Maikowske, Manni Menges und Volker Kullmann für alle interessierten Tiller Jugendlichen eine Woche Berlin organisiert und diesem „Abenteuer Großstadt“ mit Übernachtung im Jugendgästehaus Tegel ihren Stempel aufgedrückt. Und unsere „Truppe vom Lande“, sie kehrte in der Tat mit unvergesslichen Eindrücken zurück.
Es war beispielsweise im wahrsten Sinne des Wortes „mucksmäuschenstill“, als unser Bus bei der Einreise in die damalige DDR von schwerbewaffneten Beamten der Volkspolizei inspiziert wurde und selbst diejenigen unter uns, die ansonsten eher für einen flotten Spruch bekannt waren (spontan fallen mir da Herbert Willemsen oder Richard Braam ein), verstummten schlagartig.
Unvergessen bleibt auch der Tages-Trip nach Ost-Berlin. Dass wir unseren Mindestumtausch in Höhe von 25 DM in einem Ostberliner Restaurant nicht verkonsumieren konnten, weil der Kellner trotz freier Tische hartnäckig behauptete, ausgelastet zu sein, (also wenn Sie so wollen: „Wegen Reichtums geschlossen!“) gehört zu den weiteren unvergessenen Impressionen.
Szenenwechsel zur vierten Station meines Erinnerungsspazierganges: Das Tambourcorps, die musikalische Seele des BSV. Man schreibt das Jahr 1981. Das Tambourcorps beklagt am Kirmeswochenende einen gravierenden Personalmangel am unbestritten wichtigsten Instrument des Corps, der Pauke, in Fachkreisen auch „dicke Bumm“ genannt. Sie sehen, meine Damen und Herren, Fachkräftemangel, wenn auch musikalisch, war damals schon ein Thema. Nach einem erfolgreichen nächtlichen Intensivkurs „Pauken für Anfänger“ im Landjugendkeller durfte ich anschließend frühmorgens um 6.00, pünktlich zum Wecken, – heute würde man sagen „just in time“, mein Debüt geben und gehöre seither diesem kameradschaftlichen Musikzug an. Tambourmajor war anno 1981 übrigens auch schon Heiner Kelputt.
Lassen Sie uns auf unserem Spaziergang kurz anhalten und das vierteilige Mosaik „Königschießen – Karneval – Berlinfahrt der Jungschützen – Tambourcorps“ zusammensetzen. Das entstehende Gesamtbild steht für die langjährige erfolgreiche Geschichte des Bürgerschützenvereins Till-Moyland. Eines Vereins zwischen Tradition auf der einen und Moderne auf der anderen Seite.
Aber, meine Damen und Herren, was war das für eine Zeit, in die die Vereinsgründung des Jahres 1908 fällt? Was treibt die Menschen damals um?
Während heute König Wilhelm VII die Tiller Schützen regiert, stand damals an der Spitze des Deutschen Reiches Kaiser Wilhelm II. Im Berlin des Jahres 1908 gehen Zehntausende auf die Straße, um für die Einführung eines allgemeinen Wahlrechtes zu streiten, heute eine Selbstver-ständlichkeit. In London beginnen 1908 die IV. Olympischen Spiele der Neuzeit. Der Held der Spiele, der Olympiasieger im Marathon, der italienische Läuferstar und Pastetenbäcker Dorando Pietri, wird später disqualifiziert. Allerdings nicht, wie man heute wohl vermuten würde, weil er gedopt war, sondern weil ihn ein Funktionär beim Überschreiten der Ziellinie wegen schwindender Kräfte gestützt hatte.
Deutschland bestreitet 1908 sein erstes offizielles Ländespiel und verliert 3:5 gegen die Schweiz (hoffentlich passiert uns das nicht in einigen Wochen erneut bei der Europameisterschaft). Deutscher Meister 1908 wird nicht etwa Schalke 04, Bayern München oder Borussia Mönchengladbach, sondern – hätten Sie’s gewusst? - Victoria Berlin durch einen 3:0 Sieg über die Stuttgarter Kickers.
Auch hier in Till-Moyland ist zu Beginn des vorigen Jahrhunderts etwas vom aufblühenden Bürgertum zu spüren. Wer sich eines der wenigen Fotos der Gründerjahre, aufgenommen vor dem Tiller Bahnhof anschaut, der spürt etwas vom Stolz und vom Selbstbewusstsein, die schon die Till-Moyländer Schützen der ersten Jahre zusammenschweißen. Man spürt die verbindende Überzeugung: „Gemeinsam sind wir stark!“.
Der Ausbruch des ersten Weltkrieges bringt nicht nur die Dynamik der Gründerjahre, sondern das gesamte Vereinsleben gänzlich zum Erliegen. Erst im Jahre 1925 soll der Kampf um die Königswürde erneut aufgenommen werden. Und auch wenn die 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts schon lange zurückliegen, sind in Till die Namen der damaligen Schützenkönige wie Heinrich Ackers, Karl Eberhard, Heinrich van Eimern, Gerd Grunewald, Heinrich Hooimann, Franz Seegers, Josef Heisterkamp oder Albert Tiggelbeck noch präsent.
Und, lieber Peter Driessen, schon damals war der für das Dorf Till-Moyland verantwortliche Bürger-meister ein gerne gesehener Gast bei den hiesigen Schützenveranstaltungen. In einem Zeitungs-bericht aus dem Jahr 1935, den Sie alle im Übrigen auch der tollen Festschrift entnehmen können, heißt es dazu, ich zitiere: „Besondere Freude löste während des Königsballes noch die Tatsache aus, dass der allseits geschätzte Bürgermeister des Amtes Hasselt, Wilhelm König, es sich nicht hatte nehmen lassen, die Till-Moylander Schützen und ihr Königspaar aufzusuchen, wodurch die allgemeine Festesstimmung weiter gehoben wurde.“ Du siehst, lieber Peter, du befindest dich in einer langen und wie ich meine guten Tradition.
Allein die Intensität, mit der die Tiller ihr Schützenfest feiern, hat sich seither spürbar verändert, denn der Chronist des Jahres 1935 stellte außerdem fest: „Auch anderweitig (außerhalb des Festzeltes) herrschte zufrieden stellender Betrieb. Die Lokale (wohlgemerkt Mehrzahl) hatten an den bisherigen drei Kirmestagen gut zu tun und wünschen sich für den heutigen letzten Kirmestag (also schon den vierten) ein befriedigendes Geschäft“. Tja, wie sagt man doch so schön: „Das waren noch Zeiten!“
Aber, meine Damen und Herren, das unbeschwerte Dorfleben, das in der Schilderung des Jahres 1935 zum Ausdruck kommt, soll leider nur von kurzer Dauer sein. Das Königspaar Josef Oemkes und Henriette Seegers (heute Henriette Hermsen) leitet 1936 eine langjährige Zäsur ein. Die dunklen Wolken der nationalsozialistischen Zeit, der Zweite Weltkrieg und die Leiden der Nach-kriegszeit verdunkeln auch die Vereinsgeschichte des BSV.
Die „Wiedergeburt“ des Tiller Schützenwesens datiert auf das Jahr 1950. Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges sind die Kriegsfolgen gerade hier am Niederrhein weiterhin unübersehbar, die Opfer unter den Zivilisten und den Soldaten unvergessen. Die tiefen Wunden, sie sind noch nicht verheilt, Tausende ehemalige Soldaten noch in der Kriegsgefangenschaft. Mütter trauern um ihre Söhne, Frauen hoffen verzweifelt auf die Rückkehr ihrer Ehemänner.
Gleichwohl finden tatkräftige Till-Moyländer die Kraft, den Faden neu aufzunehmen und ein neues Kapitel in der Vereinsgeschichte aufzuschlagen. Zum ersten Vorsitzenden der Nachkriegszeit wählen die Mitglieder Friedrich Euwens. Ihm sollen in den nächsten Jahrzehnten die Schützenbrüder Fritz Haagen, Klaus Eberhard, Manni Menges, Hermann Lörcks und Ralf Matenaer sowie der amtierende Vorsitzende Ewald Hermsen im Amt folgen.
Kurze Zeit darauf folgt die nächste richtungsweisende Entscheidung: Unter Vorsitz von Ernst Schepers stellen die Ausschussmitglieder Willi Nienhuys, Emil Hermsen, Leo Seegers, Karl Unkrig, Paul Schönsee und Hermann Booltink die Weichen für die Gründung eines Tambourcorps. Voller Tatendrang gehen die Musiker zu Werke. Erster Tambourmajor wird Paul Arndt. Dass mit Paul Arndt, Theo de Lange, Kurt Lenders, Johannes Tiggelbeck und Heiner Kelputt erst fünf Tambour-majore in der Vereinschronik verzeichnet stehen, zeugt von der besonderen Kontinuität in dieser Führungsposition. Und ohne die Verdienste seiner übrigen Mitstreiter schmälern zu wollen, darf ich sicherlich hinzufügen: Mit seiner Kompetenz und seinem ungeheuren Einsatz ist Heiner Kelputt seit langem der Erfolgsgarant des Tambourcorps Till-Moyland. Mit genau 30 Jahren an der Spitze des TC darfst du, lieber Heiner, in diesem Jahr übrigens ein beeindruckendes Jubiläum feiern. Dazu auch von dieser Stelle mein herzlicher Glückwunsch.
Was zählt zu den weiteren Highlights der BSV-Vereinsgeschichte? Nun, sicherlich die Weihe der neuen Fahne im Jahr 1952. Sie dokumentiert die Geschlossenheit des Schützenvereines und gibt seither nicht nur bei Umzügen, sondern auch inhaltlich die Richtung vor: „Für Glaube, Sitte und Heimat“.
Mit viel Muskelkraft und Einsatz der Mitglieder kann sieben Jahre danach, 1959, der neue Kleinkaliber-Stand seiner Bestimmung übergeben werden.
Weitere drei Jahre später, 1962, erfolgt die Gründung der Karnevalsabteilung. Aus kleinen Anfängen in den örtlichen Lokalen hat sich bis heute ein überregional anerkanntes Programm entwickelt, das vor allem mit der Prunksitzung am Karnevalssamstag und dem Kinderkarneval am Rosenmontag viele Gäste von außerhalb nach Till zieht. Karnevalisten wie Jupp Höfkens, Hugo Braam, Herbert Reintjes, Ralf Matenaer und Jan-Hendrik Braam oder Johannes Verweyen sind mit ihren Aktivitäten als Sitzungspräsidenten oder durch ihre Funktionen in den jeweiligen Elferräten nachhaltig mit der Tiller Karnevalsgeschichte verbunden. Und nicht zuletzt vier Tulpensonntagsprinzessinnen aus Till unterstreichen die überregionale Ausstrahlung dieser Abteilung.
Im Laufe der Jahre ergänzt der BSV sein Angebot weiter um die Jungschützen und eine Damenschießgruppe. Als wahre Kraftanstrengung entpuppt sich in den 90er Jahren der Bau eines neuen Schießstandes mit Festsaal. Unter dem schon genannten Motto der Gründerjahre „Gemeinsam sind wir stark!“, werden bis 1995 Räumlichkeiten geschaffen, die für den Luftgewehr- und Kleinkaliberschießsport und für Feierlichkeiten Maßstäbe im Kreis Kleve setzen.
Daher möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bei all denjenigen bedanken, die sich in den zurückliegenden einhundert Jahren ehrenamtlich in den Dienst des Vereines gestellt und dessen Aktivitäten in den unterschiedlichsten Funktionen mitgetragen haben. Das gilt auch für die Organisatoren dieses Jubiläums. Wer schon einmal eine derartige Veranstaltung organisiert hat, der weiß, wie viel Arbeit im Vorfeld erforderlich ist und wie viel helfende Hände im Hintergrund benötigt werden, damit alles reibungslos verläuft. Stellvertretend für alle Mitglieder des Festausschusses möchte ich, und da spreche ich sicherlich in Ihrer aller Namen, den Autor der diesjährigen Festschrift, Robert F. Lörcks, hervorheben und ihm und seinen übrigen Ausschusskollegen für die gelungene Organisation dieser Festfolge meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich meinen Spaziergang durch die Geschichte des BSV Till-Moyland abschließen. Ich durfte Ihnen einen Verein präsentieren, der eine tragende Säule des dörflichen Lebens bildet. Einen Verein, der stets die Verbundenheit der Dorfgemeinschaft gefördert hat. Herbert Grönemeyer sagt: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.“ Für alle Till-Moyländer, und da schließe ich mich ausdrücklich mit ein, verkörpert dieser Schützenverein ein Stück Heimatgefühl.
Deshalb ist eines sicher: die Geschichte des BSV Till-Moyland, sie wird weitergehen. Vieles wird davon abhängen, die Attraktivität des Schießsports für junge Menschen zu erhalten. Die hiesigen Schützen haben heute jedenfalls allen Grund, wie einst die Gründungsväter des Jahres 1908 voller Stolz und voller Selbstbewusstsein in die Zukunft zu schauen. Schöpfen wir aus alten Wurzeln frische Kraft. Auf diesem Weg in die Zukunft wünsche ich dem Bürgerschützenverein Till-Moyland für die kommenden Jahrzehnte eine gute Entwicklung und --- Gottes --- Segen.
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Sonntag, 17. Mai 2009